Erhöhtes Ansteckungsrisiko mit SARS-CoV-2 bei MS-Patienten?
Erhöhtes Ansteckungsrisiko mit SARS-CoV-2 bei MS-Patienten?
Für uns Ärzte ist es wichtig, sich mit den Risiken verschiedener Patientengruppen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie auseinanderzusetzen. Die grundsätzliche Überlegung, dass Patienten mit chronischen Autoimmunerkrankungen wie der MS, die häufig immunsuppressive Therapien benötigen, ein besonders hohes Risiko haben sich einerseits mit SARS-CoV-2 zu infizieren und anderseits einen schweren COVID-19-Verlauf zu erleiden, ist nachvollziehbar. Die derzeit publizierten Daten von MS-Patienten zeigen jedoch keinen Hinweis für ein erhöhtes Ansteckungsrisiko mit SARS-CoV-2. Eine wissenschaftliche Gruppe aus Italien untersuchte SARS-CoV-2 Antikörper bei Patienten mit MS und zeigte im Vergleich zur Normalbevölkerung ein ähnliches Risiko sich mit dem Virus zu infizieren (1). Auch die bisher in der Literatur publizierten COVID-19 Fälle zeigen, dass bei MS-Patienten unter verlaufsmodifizierenden Therapien die Sterblichkeitsraten im Vergleich zu unbehandelten Patienten niedriger ist und dass nicht die Immuntherapeutika selbst ein Risiko darstellen, sondern dass Alter, Komorbiditäten und der Behinderungsgrad der Grunderkrankung von weitaus größerer Bedeutung sind. In einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit wurden die Daten der bisher publizierten 873 MS-Patienten, die an COVID-19 erkrankt waren, ausgewertet (2). Bei 700 dieser Patienten konnten die Verläufe der COVID-19 Infektionen ausgearbeitet werden. Von diesen waren 83 Patienten ohne eine MS-spezifische Behandlung. Die restlichen Patienten erhielten unterschiedliche Therapien wobei der größte Anteil der publizierten Patienten mit depletierenden Therapien und insbesondere mit anti-CD20-Antikörpern (Ocrelizumab, Rituximab) behandelt wurde. Hierbei muss ein Publikations-Bias bedacht werden, da in der Regel die Ergebnisse von Patienten unter hochwirksamen MS-Therapien vorzugsweise publiziert werden. Eben diese Therapien sind für uns von besonderer Bedeutung. Unabhängig von der Behandlung wurde für die COVID-19 erkrankten MS-Patienten eine Sterblichkeitsrate von 4% errechnet. Beim Vergleich der behandelten und unbehandelten Patienten fiel auf, dass die Sterblichkeit in der Gruppe der unbehandelten Patienten mit 17% deutlich höher war. In der größten Gruppe der Patienten unter CD20-Therapien wurde eine Letalität von 3% errechnet. Für Patienten, die mit anderen MS-Therapeutika behandelt wurden, wurden ähnliche bzw. bessere Ergebnisse ermittelt. Zusammenfassend sollte weiterhin das Ziel sein, eine gute Kontrolle der immunologischen Grunderkrankung bei unseren Patienten zu erreichen. Eine suffiziente Immuntherapie ist entscheidend.
- Capasso N, Palladino R, Montella E, Pennino F, Lanzillo R, Carotenuto A, Petracca M, Iodice R, Iovino A, Aruta F, Pastore V, Buonomo AR, Zappulo E, Gentile I, Triassi M, Brescia Morra V, Moccia M. Prevalence of SARS-CoV-2 Antibodies in MultipleSclerosis: The Hidden Part of the Iceberg. J Clin Med. 2020 Dec 16;9(12):E4066. doi: 10.3390/jcm9124066.
- Möhn N, Konen FF, Pul R, Kleinschnitz C, Prüss H, Witte T, Stangel M, Skripuletz T. Experience in Multiple Sclerosis Patients with COVID-19 and Disease-Modifying Therapies: A Review of 873 Published Cases. J Clin Med. 2020 Dec 16;9(12):E4067. doi: 10.3390/jcm9124067.
Autor:
Prof. Dr. med. Thomas Skripuletz
Medizinische Hochschule Hannover
Klinik für Neurologie
www.mh-hannover.de
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